Erzbistum Paderborn
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Geistliche Begleitung im Fachdienst. Standards
Diözesangesetz vom 4. September 2018
in: KA 161 (2018) 206-208, Nr. 109
####Inhalt [auf Abdruck wurde verzichtet]
#1. Einleitung
Die hier vorgelegten Standards der Geistlichen Begleitung bereichern und ordnen die vielfältigen Bemühungen um eine angemessene seelsorgliche Betreuung und Förderung aller Gott suchenden Menschen im Erzbistum Paderborn. Sie stellen den kirchlichen Dienst der persönlichen Einzelbegleitung einer wachsenden Anzahl von Christinnen und Christen unseres Erzbistums auf ein neues Fundament. Die hier getroffenen Unterscheidungen und Regelungen basieren auf der von der Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz am 6. Januar 2014 vorgelegten Handreichung für den Dienst der Geistlichen Begleitung (Pastoralkommission Nr. 39; „… und Jesus ging mit ihnen“ [Lk 24,15] – Der kirchliche Dienst der Geistlichen Begleitung).
Im diözesanen „Arbeitskreis Exerzitien und Geistliche Begleitung“ wurden die wesentlichen Aussagen dieser Standards beraten und um die diesbezüglichen Aussagen des Zukunftsbildes für das Erzbistum Paderborn ergänzt.
#2. Was will Geistliche Begleitung?
Geistliche Begleitung als Fachdienst im hier beschriebenen Sinn ist die Begleitung einzelner Personen in ihrer Suche nach Gott. Sie ist zu unterscheiden von der ebenfalls oft als Geistliche Begleitung benannten Unterstützung von Gruppen und Verbänden einerseits und von der allgemeinen Förderung von seelsorglichen Prozessen im Rahmen des pastoralen Handelns andererseits. Dieser Fachdienst Geistliche Begleitung beschreibt ein Angebot der Kirche, das den Ausführungen der Bischofskonferenz entsprechend die folgenden Merkmale aufweisen soll:
- Geistliche Begleitung als Begleitung einzelner Personen ist ein Dienst am geistlichen Wachstumsprozess von Menschen, die auf ihrem persönlichen Berufungsweg ihre Beziehung zu Gott bzw. Christus vertiefen und die mannigfaltigen Situationen ihres Lebens in diese Beziehung integrieren wollen. Sie ist ein Dienst der Kirche und eine spezifische Form seelsorglicher Begleitung.
- Geistliche Begleitung ist ein personenorientiertes Geschehen. Im Zentrum der Gespräche stehen die Erfahrungen, Fragen und Hoffnungen der begleiteten Person. Vorausgesetzt wird, dass jeder Mensch seinen eigenen Weg mit Gott hat. Diese persönliche Berufung gilt es zu entdecken und zu beantworten. Hilfestellungen dazu bietet Geistliche Begleitung an. Folglich berühren die Themen der Gespräche das ganze Leben, das in seiner Ausrichtung auf Gott hin in den Blick genommen wird.
- Geistliche Begleitung ist ressourcen-, prozess- und entwicklungsorientiert. Geistliches Leben ist ein Weg, auf dem sich der Einzelne weiterentwickelt. Ein aufmerksames Wahrnehmen, Klären, Unterscheiden und Reflektieren soll für Gottes Weg mit dem Einzelnen öffnen. Geistliche Begleitung dient so einem Wachsen und Reifen im geistlichen Leben. Sie hilft, Prozesse des geistlichen Lebens wahrzunehmen und diese aktiv und auf ein „Mehr“ an Glaube, Hoffnung und Liebe (1 Kor 13,13) hin zu gestalten.
- Geistliche Begleitung ist theozentrisch. Sie bemüht sich, das Leben auf Gott hin immer weiter zu öffnen. Sie fördert Gebet und Glaubenspraxis.
- Geistliche Begleitung ist ausgerichtet auf Jesus Christus. Die Christusähnlichkeit ist das umfassende Ziel der menschlichen Entwicklung. Entsprechend fördert sie das Bemühen, in seine Nachfolge einzutreten.
- Geistliche Begleitung vertraut auf das Wirken des Heiligen Geistes, durch den Gott die begleitete Person bewegt und führt. Sie nutzt die „Unterscheidung der Geister“, um das Wirken Gottes von anderen Kräften unterscheiden zu können.
- Geistliche Begleitung ist nicht Katechese, ist nicht selbst Gebet und Liturgie, sondern kommunikativ-diakonische Seelsorge.
- Geistliche Begleitung ist eine Beziehung von Erwachsenen, in der nicht eine Person die Verantwortung für die andere übernimmt. Vielmehr geht es darum, in einer gemeinsamen Suchbewegung den Anruf Gottes für die gegenwärtige Situation zu erkennen.
Entsprechend nimmt Geistliche Begleitung die Freiheit der zu begleitenden Person ernst und ist ein Dienst an deren Freiheit. Sie manipuliert nicht, sie führt nicht in Abhängigkeiten und ist nicht von Interessen der Begleitperson beeinflusst.
#3. Geistliche Begleitung im Kontext
Geistliche Begleitung einzelner Personen ist ein Dienst mit einem eigenen Profil, der von anderen Begleitungsformen wie Psychotherapie, Supervision oder Beratung deutlich zu unterscheiden ist.
Die Geistliche Begleitung kann und darf keine Psychotherapie ersetzen. Es geht ihr vordringlich um Heiligung, nicht um Heilung. Begleitung und Psychotherapie können sich aber, je nach Situation, sinnvoll ergänzen. Supervision ist im Allgemeinen auf die Optimierung von Arbeitsprozessen oder die Klärung von professionellen Beziehungen ausgerichtet. In der Geistlichen Begleitung ist darauf zu achten, dass Ansatzpunkt und Ziel der Begleitung das persönliche geistliche Leben ist und Vorkommnisse des Arbeitslebens darauf bezogen werden. Der Lebensberatung geht es vornehmlich um kompetente Hilfestellung bei der Lösung konkreter Probleme einer Person. Beratungsprozesse sind deshalb in der Regel hochfrequenter und kürzer. In der Geistlichen Begleitung können durchaus auch konkrete Lebenssituationen in den Blick genommen werden; sie setzt aber nicht primär bei Problemen an.
Im pastoralen Kontext ist darauf zu achten, dass die Geistliche Begleitung nur in gewissen Grenzen ein katechetischer Ort sein kann. Glaubensunterweisung und theologische Erörterungen sollen nur in dem Maße anklingen, als dies für den konkreten Prozess der zu begleitenden Person hilfreich ist. Ähnliches gilt für den Themenbereich der Schuldbewältigung oder Schuldverarbeitung. Die Begleitung kann unter Umständen ein geeigneter Raum für die Beichte sein. Begleitungsgespräche bei Priestern sollen aber nicht dauerhaft zu Beichtgesprächen werden, da in diesem Fall eine Fixierung auf negative Erfahrungen eintreten kann. In der Geistlichen Begleitung kann aber im Einzelfall durchaus der Boden für einen tief vollzogenen Empfang des Bußsakramentes bereitet werden.
#4. An wen richtet sich das Angebot Geistlicher Begleitung?
Geistliche Begleitung kann ein wichtiges Angebot für Menschen unterschiedlicher Zielgruppen werden, z.B. für
- Menschen in der Orientierungs- bzw. Ausbildungsphase für einen kirchlichen Dienst,
- kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im pastoralen, caritativen und schulischen Dienst,
- Menschen, die in ihrem ehrenamtlichen Engagement auf tiefergehende Fragen stoßen,
- Menschen, die für sich einen festen Ort in der Kirche gefunden haben, aber auch solche, die in kritischer Distanz zu ihr stehen.
Geistliche Begleitung bietet sich an für Menschen, die aus ganz verschiedenen Motiven und in unterschiedlichsten Lebenssituationen nach Begleitung fragen:
- die etwa eine spirituelle Alltagsgestaltung einüben möchten,
- die lernen möchten, das Wirken des Hl. Geistes in ihrem Leben wahrzunehmen,
- die Umkehr und Versöhnung suchen,
- die sich neu am Evangelium Jesu und am christlichen Glauben orientieren möchten,
- die Hilfen suchen in Entscheidungssituationen oder getroffene Entscheidungen überprüfen wollen,
- die ihre Beziehungen oder ihr Lebensengagement geistlich tiefer durchdringen wollen.
5. Gestalt und Anspruch der Geistlichen Begleitung
Über die inhaltliche Qualifizierung hinaus weist Geistliche Begleitung im Fachdienst folgende formalen Merkmale auf:
- Zu Beginn der Begleitung wird zwischen der Begleiterin oder dem Begleiter und der begleiteten Person ein (meist mündlicher) Vertrag geschlossen, in dem sich beide Seiten auf die Rahmenbedingungen verpflichten;
- Die Gespräche der Begleitung erfolgen in einer gewissen Regelmäßigkeit (in der Regel alle vier bis sechs Wochen);
- die Dauer des jeweiligen Einzelgesprächs wird festgelegt (in der Regel eine Stunde);
- die Begleitung erfolgt über einen längeren Zeitraum (in der Regel sechs Monate bis fünf Jahre).
Geistliche Begleiterinnen und Begleiter im Fachdienst bieten ihren Dienst im Erzbistum Paderborn unentgeltlich an. Eine Ausnahme bilden die ordensangehörigen Begleiterinnen und Begleiter, die den diesbezüglichen Grundsätzen ihrer Ordensgemeinschaften verpflichtet sind.
#6. Begleiterinnen und Begleiter im Fachdienst Geistliche Begleitung
Geistliche Begleitung Einzelner ist eine qualifizierte seelsorgliche Tätigkeit, für die eine vom Erzbistum Paderborn anerkannte Ausbildung erforderlich ist. Geeignete Bewerberinnen und Bewerber werden in bestehende Ausbildungsgänge verschiedener Einrichtungen oder Bistümer vermittelt (z.B. RUACH – Institut der Orden; Gemeinschaften Christlichen Lebens; Institut für Theologische und Pastorale Fortbildung in München-Freising, Ausbildungskurse im Erzbistum Köln und in den Bistümern Münster, Osnabrück und Speyer).
Neben Priestern, Diakonen und hauptberuflich im pastoralen Dienst im Erzbistum Paderborn tätigen Laien sowie den Ordensgeistlichen können Geistliche Begleiterinnen und Begleiter auch aus dem Kreis der ehrenamtlichen engagierten Gläubigen im Erzbistum Paderborn erwachsen, soweit sie gefirmt sind und in erkennbarer Verbundenheit mit der Kirche leben. Geistliche Begleiterinnen und Begleiter sollen über die nötige psychische Gesundheit und menschliche Reife verfügen, selbst in Begleitung stehen und aus kontinuierlicher Exerzitienerfahrung schöpfen können. Für ehrenamtliche Personen, die bereit und fähig sind, eine ausgewiesene Ausbildung im Bereich Geistlicher Begleitung zu absolvieren und die erworbenen Fähigkeiten dann im Erzbistum Paderborn einzubringen, wird für die Ausbildung eine finanzielle Unterstützung gewährt. Über die Höhe und die Dauer dieser Förderung wird im Einzelfall entschieden.
#7. Beauftragungen zum Fachdienst Geistliche Begleitung
Im Erzbistum Paderborn werden die Geistlichen Begleiterinnen und Begleiter vom Erzbischof zum Dienst der Geistlichen Begleitung beauftragt. Das heißt: Geistliche Begleiterinnen und Begleiter sind immer im Namen der Kirche tätig und unterliegen in der Ausübung ihres Dienstes der Verschwiegenheitspflicht. Durch diese Beauftragung können die Begleiteten davon ausgehen, dass sie im Rahmen der Kirche, ihres Menschenbildes und ihrer Glaubenslehre begleitet werden – unabhängig vom kirchlichen Stand oder von dem Anstellungsverhältnis der begleitenden Person.
Beauftragte Geistliche Begleiterinnen und Begleiter im Erzbistum Paderborn stehen in kontinuierlichem Kontakt mit dem Referat Geistliche Begleitung im Erzbischöflichen Generalvikariat. Sie arbeiten aktiv mit im „Arbeitskreis Exerzitien und Geistliche Begleitung“ und unterstützen dort die Konzipierung und Durchführung qualifizierter Fortbildungen. Darüber hinaus bringen sich Geistliche Begleiterinnen und Begleiter ein in die pastoralen Prozesse und Entwicklungen in den Pastoralen Räumen, etwa in die konzeptionellen Überlegungen und Schritte zur Realisierung von „Geistlichen Zentren“.
Die Modalitäten des Beauftragungsverfahrens regeln die „Bestimmungen und Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Geistlichen Begleitung im Fachdienst im Erzbistum Paderborn“.
Das Referat Geistliche Begleitung veröffentlicht zudem eine Liste der beauftragten Geistlichen Begleiterinnen und Begleiter im Erzbistum Paderborn.
#8. Das Referat Geistliche Begleitung
Dem Referat Geistliche Begleitung im Erzbischöflichen Generalvikariat, Hauptabteilung Pastorale Dienste, obliegen die Fortentwicklung und Sicherung von Ausrichtung und Qualität der Geistlichen Begleitung im Erzbistum Paderborn. Es vermittelt auf Nachfrage Geistliche Begleiterinnen und Begleiter innerhalb des Erzbistums und fungiert als Anlaufstelle für Fragen rund um den Dienst der Geistlichen Begleitung. Das Referat ist eng vernetzt mit dem Referat Beratungsdienste in der Hauptabteilung Pastorale Dienste sowie mit dem Referat Fort- und Weiterbildung Pastorales Personal in der Zentralabteilung Pastorales Personal. Es steht zur Seite in Fragen der Konzeptentwicklung etwa von „Geistlichen Zentren“ in den Pastoralen Räumen, in denen das Angebot Geistlicher Begleitung eine zentrale Rolle spielen soll, sowie in der Entwicklung von Fortbildungsformaten speziell für Geistliche Begleiterinnen und Begleiter. Dabei ist es offen für die verschiedenen spirituellen Traditionen und die ihnen entsprechenden Vorgehensweisen in der Geistlichen Begleitung.
Das Referat Geistliche Begleitung sorgt für die Vernetzung und Zusammenarbeit der Begleiterinnen und Begleiter in Gestalt des „Arbeitskreises Exerzitien und Geistliche Begleitung“; es stärkt diese in ihrem Dienst und tritt in der diözesanen Öffentlichkeit und gegenüber den anderen pastoralen Professionen für die Begleiterinnen und Begleiter ein.
Ordensgeistliche, die primär einer eigenen Leitung unterstehen, sind von diesem Referat unabhängig. Es wird aber von Vorteil sein, in engem Kontakt miteinander zu stehen, um gemeinsam für die Qualität der Geistlichen Begleitung durch Ordensleute einzustehen.
Die vorstehenden Standards setze ich hiermit für das Erzbistum Paderborn in Kraft.