Erzbistum Paderborn
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Weltmission. Gestaltung von Projektpartnerschaften

Hinweis

in: KA 121 (1979) 105-107, Nr. 112

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1. Vorbemerkung

Die Aufgeschlossenheit und das tiefe Verantwortungsbewusstsein der Katholiken in der Bundesrepublik Deutschland für die großen Aufgaben der Weltkirche haben dazu geführt, dass die Kirche in unserem Land mit dem Internationalen Missionswerk „MISSIO-Aachen/München“ sowie mit den Bischöflichen Hilfswerk „ADVENIAT“ und „MISEREOR“ ein enges Netz an weltweiten Kontakten und vielfältige Wege der Hilfe und der Zusammenarbeit aufbauen konnte.
Seit einigen Jahren wächst darüber hinaus in vielen Gemeinden und kirchlichen Gruppen der Wunsch, einen zusätzlichen, zumeist sehr engagierten Beitrag, im direkten Kontakt mit Partnern der Jungen Kirchen in den Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas zu leisten. Von diesen unmittelbaren Kontakten und Begegnungen mit den Menschen, denen man helfen möchte, erwartet man ein besseres und tieferes Verständnis der Probleme, mit denen die Jungen Kirchen und die Menschen in den Kontinenten zu kämpfen haben und einen unmittelbaren Einblick in die konkrete Verwendung der Spendenmittel. Diese Erwartungen sind eng mit dem Wunsch nach einer tieferen Motivierung der Gemeinden bzw. Gruppen verbunden. Ziel ist die Erfahrung konkreter geistlicher Gemeinschaft in der universalen Kirche. „Da die einzelnen Ortskirchen zusammen das eine Volk Gottes und den einen Leib Christi bilden, besteht zwischen ihnen eine innere Verbundenheit, die sich in Solidarität und gegenseitiger Hilfe zu erweisen hat“ (Synodenbeschluss Missionarischer Dienst an der Welt, Nr. 2.2.2).
Schon seit vielen Jahren versuchen die Werke, diesen Wünschen von Gemeinden und Gruppen durch Vermittlung von sogenannten Projektpartnerschaften entgegenzukommen. Die Erfahrungen haben jedoch gezeigt, dass mit diesem Weg der konkreten Hilfe nicht nur positive Wirkungen erzielt werden, sondern dass damit auch neue Probleme entstanden sind. Daher legen die Werke ein gemeinsames Merkblatt als Leitfaden für zukünftige Initiativen auf diesem Feld der Hilfe und der Bewusstseinsbildung vor, in dem sowohl die positiven Aspekte als auch die Gefahren bei Projektpartnerschaften aufgezeigt werden. Die Werke tun dies nicht zuletzt in der Hoffnung, dass Gemeinden und Gruppen, die Projektpartnerschaften übernehmen möchten, die notwendige fachliche Beratung der Hilfswerke in Anspruch nehmen. Auf diese Weise kann vor allem auch den berechtigten Sorgen und Befürchtungen der Jungen Kirchen in Asien, Afrika und Lateinamerika Rechnung getragen werden, dass nicht-koordinierte und planlose finanzielle Einwirkungen von außen den harmonischen Aufbau ihrer Gemeinden, ihre Selbständigkeit und die von der Basis her notwendige Planung ihrer pastoralen und auf Entwicklung ausgerichteten Arbeit gefährden könnten. Kein Haus wird gebaut ohne Bauplan.
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2. Grundsätzliche Erwägungen

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2.1 Partnerschaften als Hilfe für unsere Gemeinden

2.1.1
Gefühl der Verbundenheit. Weil Partnerschaften mithelfen, eine konkrete Not zu lindern oder eine dringende Aufgabe zu erfüllen, wächst dadurch bei den Gemeinden und Gruppen das Gefühl der persönlichen Verbundenheit mit den Jungen Kirchen und mit allen, die um ihre menschliche Entwicklung ringen.
2.1.2
Schärfung des Gewissens. Der Vergleich unseres Wohlstandes hier mit der Armut der Partner dort kann das Gewissen der Gemeinde- bzw. Gruppenmitglieder aufrütteln, so dass sie ihre eigene Lebensweise überprüfen, ihren Wissenshorizont erweitern, sich um mehr Werterkenntnis bemühen und stärker für weltweite Gerechtigkeit eintreten.
2.1.3
Motiv für Spenden. Weil Partnerschaften helfen, die Lebensbedingungen der Jungen Kirchen bzw. Partnergruppen und ihre alltäglichen Bedürfnisse anschaulich zu machen, vertiefen sie das Interesse der Gläubigen und motivieren für zwischenkirchliche Hilfe und zu Spenden für die Missions- und Entwicklungsarbeit der Kirche in Asien, Afrika und Lateinamerika.
2.1.4
Stärkung der Gemeinde. Berichte über die gelungene Durchführung des Projektes und die Freude am Erfolg stärken den inneren Zusammenhalt und die Einsatzfreudigkeit der Gemeinden und Gruppen.
2.1.5
Geistliche Gemeinschaft. Gegenseitige Gebetszusagen, das Leben aus einem gemeinsamen Schriftwort o.ä. können eine echte geistliche Gemeinschaft mit dem Partner in Asien, Afrika oder Lateinamerika schaffen, im Sinne des Wortes 1 Kor 12,26: „Wenn ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit; wenn ein Glied ausgezeichnet wird, freuen sich alle Glieder.“
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2.2 Projektpartnerschaften als Gefahr für die Jungen Kirchen bzw. für die Partner in Asien, Afrika und Lateinamerika

2.2.1
Gestörter Aufbau. Die meisten Jungen Kirchen bzw. Partnergruppen sind noch im Aufbau und haben ihre eigenen Schwerpunkte gesetzt. Gut gemeinte, aber nicht koordinierte Hilfen von außen können den geordneten Aufbau stören oder Entwicklungen in die falsche Richtung fördern.
2.2.2
Verwirklichung europäischer Vorstellungen. Die Jungen Kirchen und die Verantwortlichen für Entwicklungsmaßnahmen drängen immer mehr auf ihre Eigenständigkeit. Projektpartnerschaften tragen die Versuchung in sich, solche Projekte zu bevorzugen, die uns nach europäischen Vorstellungen einsichtig und förderungswürdig erscheinen. Es besteht die Gefahr einer einseitigen Einflussnahme.
2.2.3
Gefährdung der finanziellen Unabhängigkeit. Die Jungen Kirchen und die Verantwortlichen für Entwicklungsmaßnahmen müssen Wege finden, sich so bald wie möglich wirtschaftlich unabhängig zu machen. Eine nicht durchdachte Förderung von außen hält diesen Prozess auf bzw. verhindert ihn von vorneherein.
2.2.4
Ungerechte Verteilung. Einzelkontakte können nicht den Bedürfnissen ganzer Kontinente von Lateinamerika über Afrika, Asien bis Ozeanien entsprechen. Von einer Partnerschaft profitiert in der Regel nur eine kleine Gruppe; die „schweigende Mehrheit“, die sich in Europa nicht zu Wort melden kann, bleibt unberücksichtigt. Es entstehen „Entwicklungsinseln“ und damit Spannungen zwischen den Empfängern ausländischer Hilfe und solchen, die nicht in den Genuss einer Partnerschaft kommen. Sie belasten sehr oft oder verhindern sogar die gemeinsame Arbeit in den Regionen, Diözesen und Ländern. Den Bischöfen machen solche Aktionen, die nicht mit der Ortskirche abgesprochen sind und zu Ungerechtigkeiten führen, große Sorgen.
2.2.5
Begünstigung der europäischen Missionare und Fachkräfte. Wenn Projektpartnerschaften ausschließlich der Unterstützung europäischer Missionare und Fachkräfte dienen, können zwei „Bistümer“ in einem Bistum entstehen, nämlich ein relativ gut ausgestatteter Bereich von Bevorzugten und der ärmere Rest einer einheimischen Kirche. Argwohn und Verletzung des so dringend erforderlichen Selbstwertbewusstseins bleiben dabei nicht aus.
2.2.6
Schädliche Nebenwirkungen. Partnerschaften haben oft schwer kontrollierbare Nebenwirkungen. Sie fördern nicht nur Projekte, sondern auch den Einfluss derjenigen, die das Projekt mit ausländischen Hilfen verwirklichen. Manche sind dem neuen Prestige und seinen Versuchungen nicht gewachsen. Dabei ist zu bedenken, dass ein für unsere Begriffe kleiner Betrag draußen als enorme Summe erscheinen kann.
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3. Was bei Projektpartnerschaften zu beachten ist

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3.1 Bei der Planung

3.1.1
Beratung durch die Werke. Partnerschaftliche Beziehungen sollten nicht durch bloß zufällige Begegnungen aufgenommen werden. Eine fachliche und sachkundige Beratung durch die Werke als Fachstellen schaltet die oben genannten Gefahren für die Jungen Kirchen weitgehend aus. Daher empfiehlt die Deutsche Bischofskonferenz dringend, die Partnerschaften von Gemeinden und Gruppen mit den jeweils zuständigen Hilfswerken abzustimmen:
  • ADVENIAT ist zuständig für Pastoralprojekte in Lateinamerika,
  • MISSIO für die Missionsarbeit in Afrika, Asien und Ozeanien,
  • MISEREOR für Entwicklungsprojekte in all diesen Kontinenten.
Entsprechende Auskünfte und Merkblätter über die Projektvermittlung können bei den Werken angefordert werden.
3.1.2
Vorrangige Projekte. Projektpartnerschaften sollten in der Regel solche Einrichtungen und Maßnahmen unterstützen, die von der Kirche des betreffenden Landes und dem jeweiligen Deutschen Hilfswerk als vorrangig erkannt werden. Dazu gehören auf pastoralem Sektor alle Einrichtungen, die sich noch auf lange Sicht nicht selbst tragen können und deshalb einen jährlichen Zuschuss brauchen (z.B. Ausbildungsstätten für Priester, Schwestern und Katechisten) und im Bereich der Entwicklungsarbeit alle Maßnahmen, die geeignet sind, die Lebensbedingungen der Bevölkerung einer Region oder eines Landes langfristig und nachhaltig zu verbessern.
3.1.3
Zeitliche Befristung. Partnerschaften sollten zeitlich befristet sein, um die Gefahr einer einseitigen Festlegung der Gemeinde bzw. Gruppe hier und der finanziellen Abhängigkeit des Partners dort zu vermeiden.
3.1.4
Gegenseitige Bereicherung. Eine Projektpartnerschaft sollte über den finanziellen Einbahnverkehr hinausgehen und zu einem menschlichen und geistlichen Austausch führen. Er soll frei sein von allen Vorurteilen gegenüber der anderen Rasse oder Kultur. Auch der Partner in der Dritten Welt sollte im Rahmen seiner Möglichkeiten bereit sein, unseren geistlichen und menschlichen Erwartungen entgegenzukommen und unsere Situation zu verstehen.
3.1.5
Mitwirkung des Pfarrgemeinderates. Der Sachausschuss Mission, Entwicklung und Frieden des Pfarrgemeinderates sollte sich bei allen Projektpartnerschaften, die von der Gemeinde als ganzer übernommen werden, voll einsetzen; bei Partnerschaften, die von Gruppen der Gemeinde übernommen werden, sollte er konsultiert bzw. informiert werden.
3.1.6
Sprachkenntnisse. Die Kontaktpersonen auf beiden Seiten benötigen ausreichende Kenntnisse einer gemeinsamen Sprache.
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3.2 Bei der Durchführung.

3.2.1
Vorrang der allgemeinen Missions- und Entwicklungsaufgabe der Kirche. Eine Projektpartnerschaft ist eine zusätzliche Hilfe. Sie kann eine Gemeinde nicht davon entbinden, gleichzeitig die Verantwortung für die gesamte Missions- und Entwicklungsaufgabe der Weltkirche mitzutragen.
3.2.2
Aufbringen der Mittel. Die Mittel für eine Partnerschaft können nur durch eigene Aktionen außerhalb der vierwöchigen Vorbereitungszeit auf die jährlichen Kollektentage der Werke aufgebracht werden. Sie dürfen nicht aus dem Kollektenergebnis der Werke, bzw. bei MISSIO anlässlich der Mitgliederwerbung an den besonderen MISSIO-Sonntagen genommen werden. „Wer eigenmächtig über das Kollektenergebnis verfügt, bereichert wenige auf Kosten aller“ (Anweisungen für den Sonntag der Weltmission 1978; Amtsblatt des Erzbistums Köln). Die Werke geben Tips für die Durchführung solcher Aktionen (z.B. Gebrauchtkleidersammlung, Pfarrfeste, Basare) und bieten zusätzliche Arbeitshilfen an (z.B. Informations- und Bildmaterial, Medien, Plakate).
3.2.3
Finanzielle Abwicklung. Bei der Überweisung der Gelder sind oft strenge Devisenbestimmungen und andere finanztechnische Regeln zu beachten. Die Werke haben in diesem Bereich eine jahrelange Erfahrung. Daher sollten Überweisungen stets über die Werke erfolgen. Sie geben die Spendenbeträge ungekürzt an die Empfänger weiter.
3.2.4
Information der Gemeinde. Alle Erfahrungen positiver und negativer Art sollen der Öffentlichkeit der Gemeinde bzw. der ganzen Gruppe zugänglich gemacht werden, damit möglichst viele Gemeindemitglieder daraus lernen können. Es wäre nützlich, sie in einem Bericht zusammenzufassen, der sowohl der Diözesanstelle für Mission, Entwicklung und Frieden wie den kirchlichen Werken zur Verfügung gestellt wird.
3.2.5
Ausgleichsabgabe. Für den missionarischen Bereich empfiehlt die Deutsche Bischofskonferenz folgende Regelung: Als Zeichen der Einbindung einer Partnerschaft in die allgemeine Missionshilfe der Weltkirche sollen etwa 25 Prozent der gesammelten Projektgelder über MISSIO für solche Diözesen und Gemeinden zur Verfügung gestellt werden, die nicht mit einem europäischen Partner in Verbindung stehen. Es ist Aufgabe von MISSIO, für diesen weltkirchlichen „Lastenausgleich“ zu sorgen, der auch den regelmäßigen Unterhalt von Seminarien und Katechistenschulen, den Bau von Kirchen in Großstädten und ähnliche Maßnahmen einschließt, die anders nicht finanziert werden können.
3.2.6
Verständnis für unvorhergesehene Schwierigkeiten. Die Partner in Asien, Afrika und Lateinamerika leben und arbeiten oft unter sehr schwierigen sozialen und pastoralen Bedingungen. Sie können auch bei bestem Willen nicht immer unseren berechtigten Wünschen an eine Partnerschaft voll entsprechen. Daher ist nicht auszuschließen, dass Partnerschaften anders verlaufen, als sie zunächst geplant waren. In solchen Fällen gilt ganz besonders, dass wir unsere Partner nicht überfordern, dass wir nicht mehr von ihnen erwarten, als sie leisten können, und dass wir uns selbst nicht enttäuschen lassen.