.

Grundordnung der beratenden Dienste im
Erzbistum Paderborn

Diözesangesetz vom 1. Oktober 1992

in: EGV, Pastorale Regelungen, Heft 4, Paderborn 1993

##

I. Allgemein

#

1. Beratende Dienste der katholischen Kirche

Die Beratungsdienste der katholischen Kirche haben die Aufgabe, Menschen in ihrer Not beizustehen. Sie wollen ihre Hilfe anbieten, wo Sorgen, Nöte und Krisen nicht allein bewältigt werden können. Darüber hinaus erfüllen die Beratungsdienste eine vorbeugende Aufgabe durch Öffentlichkeitsarbeit, Bildungsangebote und Einzelberatungen. Sie wollen Orientierungshilfen für eine gesunde Entwicklung anbieten. Bei krisenhaften Entwicklungen wollen sie frühzeitig helfen, schwerwiegende Störungen sowohl in Ehe und Familie und im sozialen Umfeld wie auch beim einzelnen zu verhindern.
Beratung ist zu verstehen als ein Prozess, in dessen Verlauf die Ratsuchenden die Fähigkeiten entwickeln können, Antworten auf ihre Fragen zu finden, Konflikte und Probleme besser sehen und lösen zu lernen und gegebenenfalls unabänderliches Leid sinnvoll zu tragen. Zur Beratung gehört daher auch eine längerfristig stützende Begleitung. Die Arbeit der Beratungsdienste geschieht aus dem Glauben, dass Gott zu allen Menschen „ja“ sagt. In diesem Ja Gottes hat jeder Mensch seinen einzigartigen Wert und wird auch in seinen Konflikten, Unzulänglichkeiten und seinem Scheitern von Gott angenommen und geliebt.
Indem die Beratungsdienste den Menschen beistehen, geben sie Zeugnis von der Botschaft Jesu Christi, der den Menschen in Wort und Tat bis zur Hingabe seines Lebens am Kreuz von Gottes Liebe Kunde gebracht hat. Christen geben in ihrem Leben davon Zeugnis und versuchen, Gottes Liebe den Menschen erfahrbar werden zu lassen. Dieses Zeugnis ist Diakonie; es bildet die Grundlage für die Beratungsdienste der katholischen Kirche. Diakonie aber steht in einer wechselseitigen Ergänzung zur Liturgie und zur Verkündigung der Kirche; mit diesen stellt sie die Grundfunktionen der Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden dar.
Die Beratungsdienste der Kirche sind aufgrund der Vielschichtigkeit seelischer und sozialer Nöte entstanden. Weil in den Gemeinden die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten in der Regel nicht vorhanden sind, wird die Beratungsarbeit durch besonders geschulte Berater und Beraterinnen geleistet.
In den Beratungsdiensten artikuliert sich der Caritasauftrag der kirchlichen Gemeinde in besonderer Weise. Die Berater wollen auf der Grundlage heutiger Wissenschaftserkenntnisse den Ratsuchenden beistehen und mit ihnen neue Wege des Zusammenlebens und der gelungenen Lebensgestaltung suchen. Sie versuchen dabei, mit den Gemeinden und für die Gemeinden diesen Dienst zu leisten. Dieser Dienst wird nicht davon abhängig gemacht, ob die Ratsuchenden sich zur Kirche rechnen oder ihr fernstehen.
Kirchliche Beratung geschieht nicht isoliert, sondern strebt auf dem Hintergrund dieser Verbindung mit der Pfarrgemeinde die Integration des Ratsuchenden in seine Umgebung an. Die so konzipierte Beratung zielt darauf ab, dass die Menschen sich angenommen fühlen, das Alleinsein überwinden und einen neuen Zugang zu sich und den Mitmenschen finden.
Eine fruchtbare Beratungsarbeit erfordert Kontakte und Zusammenarbeit mit den Kirchengemeinden und auch Offenheit der Kirchengemeinden gegenüber den Beratungsstellen. Das drückt sich insbesondere darin aus, dass die Kirchengemeinden und die dort besondere Verantwortung tragenden Gemeindemitglieder die Beratungsstellen als „ihre Dienste“ anerkennen, sie nutzen und pflegen.
Ratsuchender, Berater und Gemeindemitglieder sollen sich gegenseitig stützen und ergänzen. So kann der Berater in manchen Fällen nach Absprache mit dem Ratsuchenden geeignete Gemeindemitglieder oder -gruppen in den Hilfevorgang einbeziehen. Auf diese Weise kann die Gemeinde für Sorgen und Nöte heutiger Menschen sensibilisiert und dazu angeregt werden, mit eigenen Mitteln Vorsorge zu treffen und Ausgrenzungen zu vermeiden. Zudem wird die Gemeinde dazu angeleitet, ihre Zuständigkeit für Belastungen, Symptome und Krisen zu erkennen und deren Beseitigung nicht allein von den Beratern zu erwarten. Auf der anderen Seite wird auch die Gemeinde dem Berater mit bestimmten Erwartungen begegnen, ihm Hinweise geben und ihm Aufgaben vermitteln.
Beratungsarbeit ist nicht wertfrei. Als Partner der Ratsuchenden sind die Berater für deren Wertvorstellungen offen. Sie müssen bereit und fähig sein, auch solche Entscheidungen der Ratsuchenden zu respektieren, die nicht ihren eigenen Wertauffassungen entsprechen. Nach christlichem Verständnis begegnen dem Berater im Ratsuchenden der Bruder und die Schwester Christi und der Nächste, den Gott liebt; darum darf der Berater Menschen nicht als „hoffnungslose Fälle“ abtun.
Er weiß sich als katholischer Christ auch in der Beratung mit seinen Grenzen, Schwächen und Unvollkommenheiten immer auf dem Weg. Er vermittelt den Ratsuchenden jedoch insofern Werte, Beispiele und Entscheidungshilfen, als sich der Berater selbst erkennbar an Werten orientiert.
Dem Lebensentwurf des gläubigen Beraters kommt daher eine entscheidende Bedeutung zu. Er weiß sich als gläubiger Christ getragen und gehalten von der Gemeinschaft der Glaubenden in seiner Kirche und kann „Rechenschaft geben von der Hoffnung, die in ihm ist“ (1 Petr 3,15).
Die katholische Kirche ermöglicht den Beratern ihren Dienst in einer Beratungsstelle; sie achtet ihre Eigenverantwortlichkeit aufgrund der Fachkenntnisse in dem jeweiligen Beratungsdienst. Den Trägern der katholischen Beratungsdienste kommt es zu, mit den Beratern einen der Nachfolge Christi verpflichteten Dienst zu ermöglichen. Dazu gehört insbesondere, das Verhältnis zwischen Trägervertretern und Mitarbeitern entsprechend zu gestalten, persönliche Begegnung und Unterstützung – auch und gerade in schwierigen Situationen – zu sichern.
###

2. Erwartungen an Mitarbeiter in den Beratungsdiensten

#

2.1 Fachliche Qualifikation

Es gehört zu der grundlegenden Fachqualifikation des Beraters, sein Wissen und Können im beratenden, therapeutischen und seelsorglichen Bereich auf die Situation des Ratsuchenden zu übertragen, d. h.:
  • Er verfügt über eine dem jeweiligen Beratungsdienst entsprechende Ausbildung.
  • Er ist in der Lage, die Problembereiche des spezifischen Beratungsdienstes mit fachlicher Kompetenz zu erkennen und aufzugreifen.
  • Er sorgt durch persönliches Studium und regelmäßige Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen für die Sicherung seines fachlichen Könnens.
  • Er reflektiert und korrigiert die eigene Berufspraxis unter Anleitung (etwa eines Supervisors) und in kollegialer Beratung innerhalb des Beraterteams.
###

2.2 Persönliche Qualifikation

Im Beratungsgespräch ist die Persönlichkeit des Beraters die wichtigste Hilfe. Deshalb muss er
  • die Probleme der Ratsuchenden wahrnehmen und mit der gebotenen Offenheit aufgreifen können, gleichzeitig seine eigene Person reflektieren, eigene Probleme erkennen und sinnvoll bewältigen können,
  • kooperationsbereit und teamfähig sein,
  • seine eigene Motivation zu dem Dienst und seiner Helferrolle reflektieren,
  • ausreichende Distanz zu den Problemen des Ratsuchenden halten, aber zugleich auch menschliche Nähe zum Ratsuchenden vermitteln,
  • belastende Situationen aushalten und Bewältigungsmöglichkeiten für sich und andere erarbeiten können sowie
  • sich um die Vertiefung des persönlichen Glaubens bemühen.
###

2.3 Zugehörigkeit zur Kirche

Der Berater lebt als Glied der Kirche. Er bemüht sich um die Verwirklichung dieses Glaubens im Gottesdienst und im Dienst am Menschen. Dadurch legt er Zeugnis ab von der Sorge der Kirche um den Menschen.
  • Er ist Berater im caritativ-seelsorglichen Auftrag seiner Kirche.
  • Er versteht sich als gläubiges Glied der Kirche, das sich immer wieder neu durch das Evangelium motivieren lässt.
  • Er bejaht kirchliche Werte und Normen und beachtet sie in seiner eigenen Gewissensbildung und in der Beratung.
  • Er nimmt am Leben seiner Pfarrgemeinde teil.
##

II. Die einzelnen Beratungsdienste

#

1. Ehe-, Familien- und Lebensberatung

Ehe-, Familien- und Lebensberatung wendet sich an alle Menschen, die in persönlicher Not ihre Hilfe suchen. Insbesondere sind Ehekrisen, Belastungen im familiären Zusammenleben, individuelle Notlagen, wirtschaftliche Nöte, Zukunftsängste und Sexualfragen die Anlässe, aus denen Einzelpersonen, Paare und auch Familien die Beratungsstelle aufsuchen.
Ausgebildete Fachkräfte stehen den Ratsuchenden als Zuhörer und Gesprächspartner zur Verfügung, um im Aussprechen und Überdenken der subjektiven Leidenserfahrung und Problemwahrnehmung mit den Ratsuchenden die zumeist sehr vielschichtigen Probleme aufzuhellen, in ihrer Entstehungsgeschichte und in ihren gegenwärtigen Auswirkungen durchsichtiger zu machen. Eheleute, Familien und Paare, die sich um ihrer Gemeinschaft willen zu solcher Beratung entschieden haben, erkennen hier in aller Regel, wieviel sie einander trotz aller Schwierigkeiten bedeuten.
Die Ehe-, Familien- und Lebensberatung geschieht bedarfsentsprechend als Einzel-, Paar- oder Familienberatung; andere evtl. erforderliche Hilfen werden durch die Berater vermittelt.
Die katholische Ehe-, Familien- und Lebensberatung geht in ihrer Arbeit mit Eheleuten von dem Grundsatz der Unauflöslichkeit der sakramental geschlossenen Ehe aus. Sie zielt darauf ab, die eheliche Gemeinschaft zu stützen und zu erhalten.
##

2. Beratungsstellen für Kinder, Jugendliche und Eltern/Erziehungsberatungsstellen

Besondere Lebensbedingungen wie etwa Arbeitslosigkeit oder auch Erwerbstätigkeit beider Elternteile, Ehescheidung, Krankheit, Leistungsdruck, Schulprobleme, finanzielle Notsituationen und persönliche Ängste der Eltern sind häufig Ursache für Entwicklungs- und Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen. Diese belasten das Zusammenleben und stellen die Familie vor große Probleme.
Die katholischen Erziehungsberatungsstellen sind ein Angebot, Kinder, Jugendliche und Eltern umfassend und – sofern erforderlich – auch langfristig zu unterstützen bei der Suche nach einem ihnen gemäßen Weg, die persönlichen Belastungen zu überwinden oder auch zu ertragen. Die Beratung soll den Familien neue Orientierung ermöglichen. Sie will die Familienmitglieder entlasten und ihnen insofern Raum und Wege öffnen für einen neuen Zugang zueinander, zur Wiederherstellung der familiären Gemeinschaft und zu adäquatem Umgang mit Problemen.
In der Beratungsstelle ist ein Team von Fachkräften unterschiedlicher Disziplinen (Psychologie, Sozialarbeit, Sozial- und Heilpädagogik) tätig. Diese Berater arbeiten mit den Ratsuchenden in Form von Einzel- und Gruppengesprächen und -therapien; sie beziehen dabei auch das soziale Umfeld der Ratsuchenden soweit wie nötig mit ein, wenn die Ratsuchenden dies wünschen. So gehört es auch zum Aufgabenbereich der Erziehungsberatung, ggf. mit Kindergarten, Schule, Ausbildungs- und Arbeitsstätte der Ratsuchenden Kontakt aufzunehmen und auch an diesen Lebensorten Veränderungen vorzubereiten, die die psychische Gesundheit des einzelnen und insofern der Gemeinschaft ermöglichen.
##

3. Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen

Menschliches Leben ist von der Empfängnis bis zum Tod eine Einheit, die vom Anfang bis zum zeitlichen Ende geachtet, geschützt und erhalten werden muss.
Für uns Christen gilt, dass jeder Mensch von Gott zu seiner persönlichen Existenz berufen ist. Deshalb wissen wir uns in besonderer Weise verpflichtet, für diesen Anspruch und damit für den Schutz des Lebens – auch des ungeborenen – einzutreten.
Aus diesem Grund gibt es für uns kein Entweder-Oder, so als ließe sich unter Interessenabwägung darüber entscheiden, welches menschliche Leben zu erhalten bzw. nicht zu erhalten ist.
Die bischöflich anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen haben den Auftrag, den Ratsuchenden Wege zu eröffnen, wie sie in ihrer jeweils konkreten Lebenslage das ungeborene Leben erhalten und sich entfalten lassen können.
In der Beratungsstelle wird die Ratsuchende so angenommen, wie sie sich mit ihrer Konfliktsituation einbringt. Auf diese Weise wird ihr die Erfahrung vermittelt, dass sie selbst und ihr Leben beachtet und geschätzt werden. Der Ratsuchenden wird ein Freiraum ermöglicht, in dem sie sich selbst und das Kind annehmen kann.
Die Berater wollen eine gewissenhafte Entscheidung der Schwangeren vorbereiten. Die Schwangere hat die letzte Entscheidung selbst zu verantworten. Dies müssen die Berater und mit ihnen die Kirche auch dann hinnehmen, wenn sich die Ratsuchende zum Abbruch entschließen sollte. Das sittliche Urteil über den Schwangerschaftsabbruch darf im Rahmen der Beratung nicht suspendiert werden. Die Berater zeigen der Ratsuchenden alle direkt und indirekt verfügbaren Hilfsmöglichkeiten auf, um ihr eine Fortsetzung der Schwangerschaft und damit eine Entscheidung für das Kind zu ermöglichen. Sie sind bemüht, die Situation der Mutter und des Kindes, ggf. auch des Vaters und anderer Familienmitglieder, so zu verbessern, dass nicht nur das biologisch Notwendige, sondern auch das personale und soziale Leben vor und nach der Entbindung gesichert sind.
Selbstverständlich stehen Beratung und Hilfe in katholischen Beratungsstellen auch Frauen und Familien zur Verfügung, die durch eine Schwangerschaft in Not geraten sind, ohne jedoch einen Schwangerschaftsabbruch zu erwägen.
Das Eintreten für den Schutz des ungeborenen Lebens ist nicht allein Aufgabe der Beratungsstelle; deshalb wendet sie sich an Kirchengemeinden, an kirchliche Gruppen, Verbände und Gremien, um dort Mitwirkende zu finden, die dieses Anliegen durch konkrete Hilfen mittragen und öffentlich vertreten.
Die Konfrontation mit den unterschiedlichsten Beratungssituationen ist immer auch eine Herausforderung an die Beraterin selbst. In diesem Arbeitsfeld, in dem es um Leben, Leid, Lebenssinn und Tod geht, muss sie sich selbst zurechtfinden. Was die Beraterin den Ratsuchenden als lebenswerte Perspektiven vermitteln will, muss sie für sich selbst annehmen und umsetzen können. Die Beraterin wird jedoch des öfteren hinnehmen und erleiden müssen, dass trotz ihrer methodischen und fachlichen Fähigkeiten von den Ratsuchenden Entscheidungen getroffen werden, die sie nicht zu akzeptieren vermag. Sie wird daher die Wirklichkeit von Schuld, Versagen und Erlösungsbedürftigkeit ständig neu erfahren. Sie wird erfahren, dass der „Erfolg“ nicht gemacht werden kann, zumal in der begrenzten Zeit einer Beratung nicht die vielen negativen Erfahrungen, der Mangel und die Fehlentwicklung einer Lebensgeschichte aufgefangen und geheilt werden können. Für die Beraterin ist es deshalb hilfreich und notwendig, ihre eigenen Grenzen und die Grenzen des dem Menschen Machbaren zu realisieren, sich ständig neu dafür einzusetzen, wirksame Hilfen anzubieten, sich letztlich aber mit allen Fragen und Unsicherheiten dem zu überlassen, in dessen Händen das Geheimnis eines jeden Menschen liegt.
Mit der gesamten Kirche ist jede einzelne Beraterin dazu aufgerufen, den Menschen eine positive Einstellung und Mut zum Leben zu vermitteln. Das wird weniger durch moralische Appelle geschehen als dadurch, dass den Menschen Wege zu einem sinnerfüllten und lebenswerten Leben aufgezeigt werden. Das geschieht auch dadurch, dass die Beraterin, die Seelsorger und andere in den Gemeinden ein lebenbejahendes Klima schaffen, wo Kinder akzeptiert, Familienleben gewollt, auch ungewollte Schwangerschaften und ursprünglich nicht gewollte Kinder als Herausforderung an gläubige Menschlichkeit verstanden werden.
##

4. Psychosoziale Beratungs- und Behandlungsstellen für Suchtkranke/Drogenabhängige

Hilfe für suchtmittelabhängige Menschen gehört zu den Aufgaben der kirchlichen Caritas. Die Arbeit mit Suchtabhängigen ist ein vielschichtiges Aufgabengebiet.
Die Tätigkeit der psychosozialen Beratungs- und Behandlungsstellen reicht von der prophylaktischen Arbeit bis zur Nachsorge für Suchtmittelabhängige. Sie schließt neben der beratenden und therapeutischen Hilfe die ggf. notwendige Vermittlung in eine Fachklinik, die den Klinikaufenthalt begleitende Hilfe und die Unterstützung bei der Wiedereingliederung in den Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis und in die Arbeitswelt ein. Je nach Bedarf werden solche Hilfen ambulant, teil- oder vollstationär erbracht.
Die katholische Suchtkrankenhilfe versteht sich als eigenständiges, auf den Abhängigen, sein familiäres und sein soziales Umfeld ausgerichtetes Angebot. Es ist immer ganzheitlich, das heißt, der Ratsuchende soll in all seinen Lebensbezügen Hilfe erfahren und so neuen Zugang zu seiner Welt finden.
Die Arbeit schließt immer auch die Bemühung um Aktivierung von Selbsthilfegruppen ein. Auf diese Weise, aber auch durch geeignete Öffentlichkeitsarbeit sollen in Kirche und Gesellschaft Personen angesprochen und zu aktiver Mitarbeit gewonnen werden. Sie sollen bei der Wiedereingliederung und bei der Beheimatung der Menschen mithelfen, die durch Suchtmittelabhängigkeit Kontakte und tragfähigen Lebenssinn verloren haben.
Voraussetzung für den beratenden, helfenden und heilenden Prozess in der Suchtkrankenhilfe ist die Mitwirkung des Hilfesuchenden, seine Bereitschaft, seine Gewohnheiten zu überprüfen, sich zu ändern und bisher Unbekanntes zu wagen. Das setzt Vertrauen voraus. Vertrauen wird sicherlich durch die fachliche Qualifikation, die Verschwiegenheit und die Vorbehaltlosigkeit des Beraters begründet. In seinen tiefsten Schichten lebt dieses Vertrauen aber davon, dass hinter allem die Zusage von Sinnhaftigkeit steht. Gerade hier vermag die kirchliche Suchtkrankenhilfe ihr Besonderes und Befreiendes einzubringen.
##

5. Telefonseelsorge

Die Mitarbeiter/innen der Telefonseelsorge möchten Gesprächspartner für Menschen sein, die sich in einer akuten seelischen Notlage befinden und sich über das Telefon an sie wenden. Sie bemühen sich, den Anrufer seiner augenblicklichen Lebenssituation kennenzulernen und ihm ein aufmerksamer und vertrauensvoller Gesprächspartner zu sein. So kann die Hilfe im Gespräch bestehen, im Zuhören und Klären, im Ermutigen und Mittragen, im Hinführen zur eigenen Entscheidung, im Hinweis auf geeignete Fachleute und in der Vermittlung gewünschter Kontakte.
Manchmal entwickelt sich aus Gesprächen eine Beratung im Sinne einer langfristigen Begleitung. Oft ist es nur ein einziges Gespräch, nur ein Lebensausschnitt, an dem die Telefonseelsorge teilhaben kann. Vieles wird dann nur angedeutet und angesprochen, eher werden Fragen gestellt, als Antworten gefunden, oft bleiben Lösungen offen.
Wichtige Kennzeichen der Telefonseelsorge sind, dass sie
  • da ist für alle Ratsuchenden,
  • Tag und Nacht, werktags und sonntags erreichbar ist,
  • die gewünschte Anonymität der Ratsuchenden achtet,
  • die Verschwiegenheit wahrt.
Charakteristisch für die Telefonseelsorge ist es ferner, dass der Beratungsdienst von einigen wenigen Hauptamtlichen, überwiegend aber von Ehrenamtlichen getragen wird. Sie bereiten sich durch eine Grundausbildung auf diesen Dienst vor und erhalten ständig Begleitung und Fortbildung. Die Gemeinschaft und Zusammenarbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist wichtig, weil sie dadurch Unterstützung, Ermutigung, Kritik und Anregung für den Dienst und für sich selbst erfahren. Die Ehrenamtlichkeit bedeutet Vielfalt und Reichtum an Kenntnissen und Lebenserfahrungen und erleichtert in Gesprächen mit Ratsuchenden oft, eine partnerschaftliche Gesprächsbeziehung aufzubauen.
Im Bereich des Erzbistums Paderborn geschieht Telefonseelsorge überwiegend ökumenisch. Dies setzt die vertrauensvolle und einander respektierende Zusammenarbeit von Christen aus verschiedenen Kirchen, das Bekenntnis des eigenen Glaubens und Offenheit und Verständnis für den anderen voraus. Das Kennenlernen und Verstehen, das Miteinanderarbeiten und -leben kann eine ökumenische Bereicherung bedeuten.
Diese Grundordnung tritt am 1. Oktober 1992 in Kraft.