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Nichtsakrales Schlagen von Kirchturmuhren und liturgisches Glockengeläut

Hinweis auf Urteile des Bundesverwaltungsgerichtes
vom 30.4.1992 und vom 7.10.1983

(BVerwG 7 C 25.91) und (BVerwG 7 C 44.81), Az A 13-44.21/1

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Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 30.4.1992 entschieden, dass das nichtsakrale Schlagen von Kirchturmuhren in Wohngebieten, das nachts Einzelgeräusche von mehr als 60 dB (A) verursacht, grundsätzlich nicht hinzunehmen ist. Im einzelnen führt das Bundesverwaltungsgericht aus, dass das Schlagwerk einer Turmuhr eine Anlage im Sinne von § 3 Abs. 5 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) darstellt, die den Anforderungen des § 22 Abs. 1 BImSchG entsprechen muss. Ob die Geräuschentwicklung die Schwelle schädlicher Umwelteinwirkungen überschreitet, könne aufgrund der sogenannten TA-Lärm beurteilt werden. Danach seien des nachts Einzelgeräusche von mehr als 60 dB (A) immissionsschutzrechtlich grundsätzlich nicht hinnehmbar. Allein unter Berufung auf die traditionelle Präsens der Kirche könne heute den Nachbarn kein stärkerer Lärm angesonnen werden. Eine andere Beurteilung könne in Ausnahmefällen angebracht sein, nämlich, wenn besondere örtliche Umstände hinzutreten, die dem Schlagen der Kirchturmuhr eine aus dem Rahmen des Üblichen fallende Bedeutung verleihen. Zu denken wäre beispielsweise an ein besonderes, weit über die Grenzen des Ortes hinaus bekanntes Schlaggeräusch oder eine spezifische Prägung der Gemeinde durch die Kirche, die eine stärkere kirchliche Präsens auch zur Nachtzeit akzeptabel erscheinen lassen könnten.
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist insoweit zu begrüßen, als nunmehr die Beurteilungskriterien für das nächtliche nichtsakrale Schlagen von Kirchturmuhren höchstrichterlich klargestellt worden sind, nachdem bereits für das liturgische Glockengeläut durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 7.10.1983 – BVerwG 7 C 44.81 – Rechtsklarheit geschaffen worden ist. Nach diesem Urteil fallen Kirchenglocken ebenfalls unter den Anlagenbegriff des § 3 Abs. 5 BImSchG. Auch sie müssen den Anforderungen von § 22 Abs. 1 BImSchG entsprechen. Einen festen Grenzwert hat das Bundesverwaltungsgericht nicht festgesetzt. Es hat jedoch ausgeführt, dass mit dem herkömmlichen täglichen Glockenläuten in aller Regel die Grenze des Zumutbaren nicht überschritten wird. Das kultische Glockengeläut ist, wie das Gericht ausdrücklich anerkannt hat, eine jahrhundertealte kirchliche Lebensäußerung, die, wenn sie sich nach Zeit, Dauer und Intensität im Rahmen des Herkömmlichen hält, auch in einer säkularisierten Gesellschaft bei Würdigung der widerstreitenden Interessen hinzunehmen ist. In dem entschiedenen Fall verursachte die Angelus-Glocke tagsüber einen Geräuschpegel von max. 52 dB (A). Damit wird der für allgemeine Wohngebiete nach Nr. 2.321 der TA-Lärm zulässige Immissionsrichtwert nicht überschritten.
Die Kirchengemeinden werden gebeten, Glockengeläut und Schlagen von Kirchturmuhren so einzurichten, dass den berechtigten Belangen der Nachbarn in vertretbarem Rahmen Rechnung getragen wird.