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Messstipendien

Handreichung der DBK vom 24. Februar 1994

in: Wenner, DBK 173

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1. Den Himmel kann man nicht kaufen

Die Praxis der Messstipendien stößt bei manchen Menschen in unserem Land auf Unverständnis und Ablehnung. Sie können nicht begreifen, dass es sinnvoll sein sollte, „Messen zu bestellen“, das heißt einem Priester Geld zu geben, damit er in eine Messfeier ein besonderes Anliegen des Bestellers einbezieht, zum Beispiel eines Verstorbenen gedenkt. Beruht das ganze Stipendienwesen nicht auf der falschen Vorstellung, man könne Gnade kaufen und für Geld sein eigenes oder das Seelenheil anderer sichern? Die Frage, was denn „eine Messe koste“, zeige ja deutlich, dass hier so etwas wie ein Handel stattfinde.
So liegt die Frage nahe, was denn eigentlich mit dem Brauch der Messstipendien gemeint ist. Man kann sie am besten mit einem Hinweis auf die Entstehung beantworten.
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2. Messfeier – unsere gemeinsame Sache

Die ältesten Zeugnisse über die Feier des Herrenmahls zeigen, dass die Christen Gottesdienst als etwas verstanden, an dem alle mitwirken und beteiligt sind. So heißt es beispielsweise im ersten Korintherbrief (14,26): „Wenn ihr zusammenkommt, trägt jeder etwas bei“; dann werden dafür Beispiele von gottesdienstlichen Elementen genannt: einer einen Psalm, ein anderer eine Lehre, ein dritter eine Offenbarung.
Seit dem 2.-3. Jahrhundert war es Brauch, dass alle Mitfeiernden der Eucharistie (Bischof, Priester, Diakon, Laien) auch materielle Gaben mitbrachten, zum Beispiel Brot und Wein. Soweit sie nicht für die Feier selbst gebraucht wurden, verwendete man sie für den Unterhalt des Klerus und vor allem für Bedürftige und Arme. An der Feier des Opfers Christi wollte man nicht teilnehmen ohne ein Zeichen der eigenen Opferbereitschaft. Diakonie – Hilfe für andere – und Liturgie – Feier der Heilstaten Gottes – waren eng miteinander verknüpft; innere Einstellung drückte sich in Zeichen aus.
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3. Von der Messgabe zum Messstipendium

Als sich im Laufe der Geschichte die Gestalt der Messfeier wandelte, wirkte sich das auch auf die Messgabe aus. Mit der Zeit entstand die Gewohnheit, die Namen der Spender sowie der Lebenden und Verstorbenen zu nennen, deren besonders gedacht werden sollte. Sie sollten mit in das Opfer hineingenommen und als Glieder der feiernden Gemeinde Gott in Erinnerung gerufen werden. Das zur Messe mitgebrachte Opfer wurde dann allmählich als Gabe für das Nennen der Namen und für das Gebetsgedenken bei der Messfeier gesehen. Gleichzeitig begannen die Priester nach Weisung der Kirche, die Gaben nicht mehr in erster Linie als Spenden für die allgemeinen Bedürfnisse der Kirche und für die Armenpflege zu betrachten, sondern als Betrag zu ihrem oft geringen Lebensunterhalt. Der Klerus hörte daher auf, selbst Gaben zu bringen und nahm nur noch das Opfer der Gläubigen entgegen. Als Gegenleistung feierten die Priester die Messe nach der Meinung der Gläubigen, die eine Gabe gebracht hatten und diese erwarteten dafür Gnade und Segen für sich und ihr Anliegen.
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4. Noch zeitgemäß?

Die Regelungen des gegenwärtigen kirchlichen Rechtsbuches1# gehen im Kern auf diese Entwicklung zurück, sind jedoch auch geprägt von dem Bemühen, jeden Anschein von Geschäft und Handel zu vermeiden.
Priester können Stipendien annehmen und verpflichten sich damit, eine Messe nach Meinung des Stipendiengebers zu feiern. Der Betrag des Stipendiums ist einheitlich für eine Kirchenprovinz (mehrere Diözesen) festgelegt. Für bestimmte Tage können aber etwa Pfarrer keine Stipendien annehmen, da sie zum Beispiel an Sonn- und Feiertagen verpflichtet sind, die Messfeier für die ihnen anvertrauten Gemeinden (Pfarrgottesdienst, Messfeier für die Gemeinde) zu halten.
Angemessen und sehr erwünscht bleibt die Teilnahme des Stipendiengebers an der von ihm bestellten Messe. Sie bringt den ursprünglichen Zusammenhang von Messgabe und Messfeier am deutlichsten zum Ausdruck. Doch behält ein Stipendium für eine Messe, an deren Teilnahme der Geber verhindert ist, durchaus seinen Sinn, besonders wenn er sich innerlich der Feier des Todes und der Auferstehung des Herrn anschließt. In großen Teilen der Kirche sind die Stipendien ein wichtiger Beitrag für den Lebensunterhalt der Priester und das apostolische Wirken. Trifft dies auch im gegenwärtigen Zeitpunkt für die Diözesanpriester im Gebiet der Deutschen Bischofskonferenz nicht zu – anders ist die Situation für viele Ordenspriester –, so bleibt auch die Kirche in Deutschland mit der Beibehaltung des Messstipendiums solidarisch mit der übrigen Kirche. Viele Priester verwenden diese Beträge nicht für eigene, sondern für caritative und soziale Zwecke.
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5. Eine Messfeier – ein Stipendium

Um denkbaren Missbräuchen – die es in der Geschichte der Kirche durchaus gegeben hat – zu wehren, gilt nach kirchlicher Ordnung der Grundsatz, dass jeder Priester täglich nur das Stipendium einer einzigen Messe für sich behalten darf. Das gilt auch für den Fall, dass er aus seelsorglichen Gründen zweimal oder öfter am selben Tag eine Messfeier zu leiten hat. In diesem Fall sind die Stipendien der zweiten oder noch weiteren Messen einem vom Bischof angegebenen Zweck (zum Beispiel Diasporahilfe, Mission) zuzuführen.
Ein Dekret der römischen Kongregation für den Klerus vom 22.2.1991 ließ es unter bestimmten Bedingungen zu, mehrere Stipendien in einer einzigen Messe zusammenzufassen, so dass nicht mehr für jedes einzelne Stipendium eine eigene Messe gefeiert werden musste; für den einzelnen Priester persönlich blieb es allerdings auch hier bei einem einzigen Stipendium pro Tag; die Beträge der anderen Stipendien mussten einem vom Bischof oder Ordensoberen angegebenen Zweck zugeführt werden. Mit Zustimmung der Kongregation (Brief vom 15.10.1992) wurde diese Regelung der sogenannten „plurintentionalen Messen“ oder „Intentiones collectivae“ jedoch im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz nicht eingeführt.
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6. Weitergabe von Stipendien

Während in manchen Gemeinden der Brauch von „Messbestellungen“ nie sehr verbreitet war oder auch zurückgegangen ist, gibt es in anderen Gemeinden zahlreiche Stipendien.
Bei abnehmender Priesterzahl können die erbetenen Feiern kaum in überschaubaren Zeiträumen stattfinden. Die bloße Weitergabe des Stipendiums – selbstverständlich immer nur mit Zustimmung der Besteller – hat den Nachteil, dass eine persönliche Verbindung der Spender mit der Feier nicht mehr deutlich erfahren wird, auch wenn in der Weitergabe eine Konkretisierung weltweiter Gebetsverbindungen innerhalb der Kirche gesehen werden kann.
Es hat sich so der Brauch entwickelt, (mit Zustimmung der Geber) mehrere Intentionen in einer Messfeier zu nennen, wobei aber nur ein Stipendium appliziert und nur ein Stipendium beim Priester (in der Gemeinde) behalten wird. Es werden beispielsweise fünf Verstorbene genannt, für die fünf Messen bestellt worden sind. Der Priester erhält den Betrag eines Stipendiums, die anderen vier Stipendien werden an eine Klosterkirche oder etwa in die Mission weitergegeben. Für jedes Stipendium wird also – das ist der Unterschied zur „plurintentionalen Messe“ – eine eigene Messfeier gehalten. Diese Praxis wird den Vorschriften des kirchlichen Gesetzbuches gerecht und bewahrt vor einer völligen Anonymisierung. Die Zahl der zusammen genannten Intentionen sollte wohl fünf bis sieben nicht übersteigen. Die Zustimmung des Spenders ist auch hier Voraussetzung.
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7. Messstipendium ohne Zukunft?

Manche Gemeinden haben sich Gedanken gemacht, ob in Ablösung oder Ergänzung des bisherigen Stipendienwesens Wege gefunden werden könnten, die deutlicher die innerliche Verbindung mit der Opferhingabe Christi ausdrücken und erfahrbar machen. Manche haben sich an der ostkirchlichen Praxis orientiert, die das Stipendium der beschriebenen Art nicht kennt, allerdings die Nennung von Anliegen und Entgegennahme besonderer Spenden bei der Feier selbst.
Bei der Suche nach neuen Formen sollte es selbstverständlich sein, dass der Priester sich nicht eigenmächtig über die Ordnung der Kirche hinwegsetzt oder ohne Wissen und Einverständnis der Spender die Gelder weitergibt.
In jedem Fall sollte die Handhabung des Stipendienwesens die Botschaft Jesu Christi nicht verdunkeln, dass die gnädige Zuwendung Gottes ein unverdientes und unbezahlbares Geschenk ist, das man nicht für sich oder einen nahestehenden Menschen erkaufen kann. Das Stipendium kann nicht mehr als ein Zeichen des Vertrauens sein, dass Gott sich im Blick auf die Verdienste Jesu Christi unserer Schwachheit annimmt, ein Zeichen der Hoffnung, dass sein Erbarmen keine Grenzen kennt. Das Stipendium kann Zeugnis unserer Bereitschaft sein, an den Aufgaben der Kirche mitzuwirken und die Not der Bedürftigen zu lindern, in denen der Herr seiner Kirche begegnet.

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1 ↑ [Vgl. cc. 945-958 CIC/1983.]