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Kommission zur unabhängigen Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch im Erzbistum Paderborn

Statut in der Fassung vom 1. August 2024

KA 2024, Nr. 102

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Präambel

Mit der Einrichtung einer unabhängigen diözesanen Aufarbeitungskommission möchte das Erzbistum Paderborn einen wichtigen Schritt in der Qualitätsentwicklung im Umgang mit sexuellem Missbrauch Minderjähriger und schutz- oder hilfebedürftiger Erwachsener durch Kleriker und sonstige Beschäftigte im kirchlichen Dienst gehen und setzt zugleich einen wichtigen Teil der Gemeinsamen Erklärung vom 28. April 2020 der deutschen Bischöfe (DBK) mit dem Unabhängigen Beauftragten des Bundes für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) um.
Eine Aufarbeitungskommission trägt dazu bei, die Umstände von Missbrauch in der Vergangenheit und in der Gegenwart in den Blick zu nehmen, begünstigende Strukturen zu identifizieren und das erfahrene Leid von Betroffenen in den Fokus zu stellen. Die Kommission trägt in besonderer Weise dazu bei, dass in der Kirche von Paderborn ein besseres Verständnis für die Dimensionen sexuellen Missbrauchs entsteht. Sie ist zudem ansprechbar für die Anliegen Betroffener und sichert die strukturelle Beteiligung von Betroffenen am Prozess der Aufarbeitung.
Aufgrund der Unabhängigkeit der Kommission kann sie diese Strukturen und ihre Erkenntnisse in Verantwortung ihres Auftrags klar und deutlich gegenüber dem Erzbistum Paderborn benennen und zur Verfügung stellen.
Die unabhängige Kommission wird sich in besonderem Maße mit den Ergebnissen des unabhängigen Forschungsprojektes der Universität Paderborn „Missbrauch im Erzbistum Paderborn – Eine kirchenhistorische Einordnung. Die Amtszeiten von Lorenz Jaeger und Johannes Joachim Degenhardt (1941-2002)“ auseinandersetzen. Zudem wird sie die notwendigen Schritte zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs ab dem Jahr 1941 bis in die Gegenwart initiieren und gemäß ihrem Auftrag die Erkenntnisse gegenüber dem Erzbistum Paderborn vertreten.
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Artikel 1 – Aufgaben

1)
Die Aufarbeitungskommission trägt zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs im Bereich des Erzbistums Paderborn durch Wahrnehmung folgender Aufgaben bei:
  1. die qualitative und quantitative Erhebung sexuellen Missbrauchs im Erzbistum Paderborn;
  2. die Untersuchung des administrativen Umgangs mit Beschuldigten und Betroffenen;
  3. die Identifikation von Strukturen, die sexuellen Missbrauch ermöglicht oder erleichtert oder die dessen Aufdeckung erschwert haben;
  4. Initiierung und Begleitung des Prozesses der Aufarbeitung für den Zeitraum ab dem Jahr 1941.
Bei der Erfüllung dieser Aufgaben berücksichtigt die Kommission die Erkenntnisse der „MHG-Studie“ als auch der derzeit laufenden Studien „Missbrauch im Erzbistum Paderborn – Eine kirchenhistorische Einordnung. Die Amtszeiten von Lorenz Jaeger und Johannes Joachim Degenhardt (1941-2002)“ und „Missbrauch im Erzbistum Paderborn – Eine kirchenhistorische Einordnung. Die Amtszeit von Hans-Josef Becker (2002-2022)“ der Universität Paderborn.
2)
Im Einvernehmen mit dem Erzbistum Paderborn können weitere geeignete Aufträge zur quantitativen Ermittlung des Ausmaßes sexuellen Missbrauchs sowie zur qualitativen Analyse der spezifischen Bedingungen des Entstehens und Aufdeckens von Missbrauchsfällen in ihrem Zuständigkeitsbereich vergeben werden.
3)
Im Rahmen der institutionellen Aufarbeitung koordiniert die Kommission in Abstimmung mit den Betroffenen den Austausch mit anderen zu beteiligenden (Erz-)Diözesen. Sie versteht sich, soweit dies eine der genannten Aufgaben betrifft, als Ansprechpartnerin für Betroffene. In anderen Fällen verweist sie an die diözesanen sowie unabhängigen und qualifizierten Ansprechstellen.
4)
Die Kommission kann im Rahmen ihrer Aufgaben Personen anhören oder Anhörungsbeauftragte damit beauftragen, dabei sind die Interessen und Bedürfnisse von Betroffenen zu berücksichtigen. Anhörungen dürfen nicht unter dem Siegel des Beichtgeheimnisses geführt werden. Zu den Regelungen der weiteren Verwertung der Anhörungsinhalte werden die Betroffenen umfassend informiert.
5)
Bei aktuellen Meldungen sexuellen Missbrauchs gelten die in der „Ordnung für den Umgang mit sexuellem Missbrauch Minderjähriger und schutz- oder hilfebedürftiger Erwachsener durch Kleriker und sonstige Beschäftigte im kirchlichen Dienst“ festgelegten Verfahren / Zuständigkeiten. Die Kommission ist angehalten, einen regelmäßigen Austausch mit den entsprechenden Stellen zu suchen.
6)
Die Kommission berichtet jährlich in schriftlicher Form dem UBSKM und dem Erzbischof über ihre Tätigkeit. Innerhalb von fünf Jahren nach Einrichtung der Kommission legt die Kommission einen vorläufigen Abschlussbericht vor, der eine Zusammenfassung aller Ergebnisse, einen Bericht des Betroffenenbeirats sowie konkrete Handlungsempfehlungen beinhalten soll.
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Artikel 2 – Zusammensetzung der Kommission

1)
Der Aufarbeitungskommission gehören in der Regel sieben Personen an, die über persönliche und / oder fachliche Erfahrungen mit Prozessen der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in Institutionen oder über fachliche Erfahrung etwa im Bereich Verwaltung, Psychologie, Begleitung und / oder Beratung verfügen:
  1. zwei Mitglieder aus dem Kreis der Betroffenen, die vom Betroffenenbeirat vorgeschlagen werden, falls ein solcher im Erzbistum Paderborn errichtet ist. Sofern noch kein Betroffenenbeirat im Erzbistum Paderborn besteht, werden zwei Personen aus dem Kreis der Betroffenen durch den Erzbischof berufen und gebeten, kommissarisch bis zur Konstituierung eines Betroffenenbeirates oder einer vergleichbaren Betroffenenorganisation in der Kommission mitzuarbeiten.
  2. zwei Mitglieder aus dem Bereich der öffentlichen Verwaltung oder der Justiz, die durch die Regierung des Landes Nordrhein-Westfalen benannt werden,
  3. drei Mitglieder aus den Bereichen Wissenschaft, Fachpraxis, Justiz oder öffentlicher Verwaltung sowie Vertreter des Erzbistums Paderborn.
2)
Hinsichtlich der Mitarbeit in der Kommission sind sämtliche Mitglieder von Weisungen des Erzbistums Paderborn unabhängig.
3)
Höchstens drei Mitglieder dürfen dem Kreis der Beschäftigten der katholischen Kirche oder eines diözesanen Laiengremiums angehören.
4)
Die Mitglieder werden durch den Erzbischof für je drei Jahre in die Kommission berufen, Wiederberufung ist möglich. Hiervon abweichend endet die Tätigkeit eines Mitglieds nach Abs. 1 lit. a Satz 2 mit Konstituierung des Betroffenenbeirates (oder einer vergleichbaren Betroffenenorganisation), sofern dieser das bisherige Mitglied nicht beauftragt, bis zum Ablauf der regulären Amtszeit die Mitarbeit in der Kommission fortzuführen.
5)
Die Amtszeit eines Mitglieds endet außer durch Tod durch:
  1. Ablauf der Berufungszeit;
  2. schriftliche Rücktrittserklärung, die der Annahme durch den Erzbischof bedarf;
  3. Abberufung durch den Erzbischof, sofern wenigstens fünf Mitglieder der Kommission in geheimer Abstimmung die Abberufung erbitten.
6)
Die unabhängigen Ansprechpersonen im Erzbistum Paderborn, sowie die diözesanen Beauftragten für Prävention und Intervention sollen als ständige Gäste ohne Stimmrecht an den Sitzungen teilnehmen. Über die Einladung der Gäste zu den Sitzungen entscheidet jeweils die Kommission. Diese ist angehalten, einen regelmäßigen Austausch mit den Interventions- und den Präventionsbeauftragten sowie den Betroffenenvertretern zu suchen.
7)
Die Mitglieder der Kommission verpflichten sich im Rahmen der rechtlichen Regelungen zur Verschwiegenheit und zum Schutz personenbezogener Daten, die ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit für die Kommission bekannt werden. Diese Verpflichtung bleibt auch nach dem Ausscheiden aus der Aufarbeitungskommission bestehen.
8)
Die Mitgliedschaft in der Kommission ist ein Ehrenamt. Die Mitglieder erhalten eine Aufwandsentschädigung. Notwendige Auslagen werden erstattet.
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Artikel 3 – Vorsitz

1)
Der oder die Vorsitzende wird durch die Mitglieder der Kommission gewählt. Aufgrund der beruflichen Erfahrung und gesellschaftlichen Stellung soll der oder die Vorsitzende Gewähr für eine weithin anerkannte Leitung der Kommission bieten. Der oder die Vorsitzende darf weder der Gruppe der Betroffenenvertretungen noch der im arbeitsrechtlichen Sinne Beschäftigten der katholischen Kirche angehören oder zu einem früheren Zeitpunkt angehört haben.
2)
Der oder die Vorsitzende beruft die Sitzungen der Kommission ein und leitet diese.
3)
Der oder die Vorsitzende, im Verhinderungsfall eine durch die Kommission benannte Vertretung, nimmt an den jährlichen Austauschsitzungen aller Aufarbeitungskommissionen teil, die dem Wissens- und Erfahrungsaustausch, der Auswertung der jährlichen Berichte der Kommissionen und der Bündelung der Ergebnisse regionaler Aufarbeitungsstudien dienen.
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Artikel 4 – Administrative Unterstützung und Beauftragte der Kommission

1)
Die Kommission wird in der Wahrnehmung ihrer Aufgaben durch das Team Intervention im Erzbischöflichen Generalvikariat unterstützt.
2)
Die Kommission kann Anhörungsbeauftragte benennen, die aufgrund ihrer beruflichen oder sonstigen Erfahrung in der Lage sind, Gespräche mit Betroffenen respektvoll und empathisch zu führen.
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Artikel 5 – Geschäftsordnung

Die Kommission kann sich auf der Grundlage dieses Statuts eine Geschäftsordnung geben, die dem Erzbischof zur Kenntnis zu geben ist.
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Artikel 6 – Mediation

Im Falle eines Konfliktes innerhalb der unabhängigen Kommission oder mit anderen Einrichtungen oder Gruppierungen steht der Kommission das Instrument der Mediation zur Verfügung.
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Artikel 7 – Auskunft und Akteneinsicht, Datenschutz

1)
Die Erzdiözese Paderborn verpflichtet sich zu umfassender Kooperation mit der Aufarbeitungskommission, der bzw. deren einzelnen Mitgliedern Akteneinsicht oder Auskunft gewährt wird, soweit es für die Erledigung der Aufgaben der Kommission erforderlich und rechtlich zulässig ist und keine berechtigten Interessen Dritter entgegenstehen.
2)
Dabei sind das geltende staatliche und kirchliche Recht zu beachten, insbesondere das Kirchliche Datenschutzgesetz (KDG) und die hierzu ergangenen Durchführungsverordnungen (DVO) zum KDG, zur Gewährleistung des Rechtsschutzes auf dem Gebiet des kirchlichen Datenschutzrechtes die Kirchliche Datenschutzgerichtsordnung (KDSGO) sowie die Anordnung über die Sicherung und Nutzung der Archive der katholischen Kirche (Kirchliche Archivordnung – KAO) und die Benutzungsordnungen für die Archive.
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Artikel 8 – Inkrafttreten und Geltungsdauer

Das Statut wird hierdurch mit Wirkung vom 20. Juni 2022, befristet bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027, in Kraft gesetzt.